Was ist Denglisch?
Denglisch umfasst:
Ist also jeder (Pseudo)-Anglizismus Denglisch?
Der Duden definiert: "Abwertend für deutsch mit (zu) vielen englischen Ausdrücken vermischt." Aha - 'zu viele'!?! Subjektiver geht's nimmer. Schon deshalb ist eine objektive Bedrohung der deutschen Sprache durch Denglisch nicht nachweisbar. Siehe dazu auch Wikipedia.
Kriterien wie "unnötig", "überflüssig", "unschön" und "unklar" sind ebenfalls nur geistige Nebelkerzen. Das Thema 'unnötig, überflüssig' wurde bereits hier angeschnitten. Das maximal subjektive 'unschön' entzieht sich einer Erörterung.
Allerdings sind denglische Wörter in der Tat "unklar" - wenn man sie aus dem Zusammenhang reißt und fordert, sie müssten per se klar und eindeutig sein. Diese Methode ist bei DeGe ebenso beliebt wie für vernünftige Menschen realitätsfern, s. auch hier (16.10.10, DeGe und Kontext ...).
Denglisch mag englische Wurzeln haben oder auch nur englisch aussehen (Pseudo-Anglizismen). Aber Denglisch wird i.d.R. von Deutschen für Deutsche verwendet. Solange Deutsche das richtig verstehen, spricht rein gar nichts dagegen. Und nein, man muss kein Englisch können, um denglische Wörter zu verstehen, siehe hier.
Jedenfalls wird Denglisch nicht für englische Muttersprachler gemacht, die analog zu den DeGe meinen, eine Sprache gehöre jemandem, der über 'richtig oder falsch' zu bestimmen habe. Wenn Denglisch - übrigens nur zu ca. 10% - in der Bedeutung vom Englischen abweicht, ist das nicht anders zu bewerten als Bedeutungsabweichungen innerhalb des englischen Sprachraums, über die sich ja auch niemand aufregt:
first floor, to table, hood, bathroom, gas ...
Englische Muttersprachler sollten also in dieser Hinsicht den Ball flachhalten. Unser Wortschatz geht sie gar nichts an. Wir beschweren uns doch auch nicht, dass blitz oder ersatz 'falsches Deutsch' seien!
Surftipp: "Wir sind Englisch => Denn Englisch ist längst nicht mehr die Sprache der Engländer."
DeGe hängen sich bei der Begründung ihrer Panikmache hauptsächlich (leider nur bildlich) an der Werbung auf: 'Meine Oma versteht die Werbung fürs iPad nicht; also ist Denglisch Mist'. Mal abgesehen davon, dass man Werbung sowieso nicht ernstnehmen sollte (s. hier) - was hat sie denn mit Sprache zu tun?
Selbst relativ langlebige Werbeslogans wie "Colour your life", "There's no better way to fly", "Come in and find out" haben nie Eingang in die deutsche Sprache gefunden. Niemand (außer den Urhebern) sagt oder schreibt sowas! Als einziger Slogan, der es in die deutsche Sprache geschafft hat, fällt mir ad hoc das ulkige Verona-deutsche "Da werden Sie geholfen!" ein.
Sprache entsteht erst durch die Verwendung seitens der Sprecher. Wenn jemand ein Banner 'Deulisch sit gehumpfsam' aus dem Fenster hängt, aber niemand diese Kreation aufgreift, ist das keine Sprache.
Ob in der Werbung wirklich überproportional viel Denglisch verwendet wird, ist umstritten.
Aus dieser Nicht-Sprache eine Gefahr für die deutsche Sprache abzuleiten, ist Unfug.
BTW: Die Denglisch-Nische der Wissenschaft ist für die sprachliche Gesamtsituation ähnlich unerheblich, s. hier.
Und für Wirtschafts-Denglisch gibt es verdammt gute Gründe, s. hier.
Real existierende Denglisch-Sprache manifestiert sich in alltäglich gesagten Sätzen wie:
Wie oben an den Beispielen downgeloadet, chillen und gecancelt zu sehen, fügen sich urspr. englische Verben problemlos und natürlich in die traditionelle deutsche Grammatik ein. Daran ändert auch die missglückte (Microsoft?-) Übersetzung 'gedownloadet' nichts, die von DeGe gern als Scheußlichkeitsbeweis angeführt wird. Niemand muss das benutzen - genausowenig wie 'gerunterladen'.
Bei Substantiven gibt es diesbezgl. erst recht kein Problem:
Das Blog / die Blogs, das Know-how / des Know-hows. Das Geschlecht - bei Sachen eh eine völlig überflüssige Schikane der dt. Sprache - ist beliebig: Sie verstehen doch der / die / das Shuttle gleichermaßen - schon weil es im Deutsch-Deutschen in dieser Hinsicht genauso durcheinandergeht: die Butter, das Radio? Nicht so im Süden der Republik, wo es der Butter und der Radio heißt!
Ob man vor das Genitiv-S einen Apostroph setzt, ist ebenfalls unerheblich; die DeGe-Pöbelei vom "Deppen-Apostroph" kann man getrost an sich abprallen lassen. 600 Mio. englische Muttersprachler können nicht allesamt Deppen sein. Man bezeichnet schließlich auch nicht diejenigen sprachlich unsouveränen Zeitgenossen als Deppen, die sich an eine 'einzig richtige' Schreibweise klammern müssen.
Etwas anders sieht es bei Adjektiven aus: 'Der Gewinner ist happy' ist ebenfalls problemlos, aber 'Der happye (?) Gewinner' klingt seltsam - und wird deshalb nicht gesagt, sondern vom 'glücklichen Gewinner' gesprochen. Auch hier findet also keine Verdrängung, sondern ein friedliches, sich ergänzendes Miteinander von Denglisch und traditionellem Deutsch statt.
Übrigens ist das Problem der eingeschränkten Anwendbarkeit kein typisch denglisches: 'Mein Bruder ist gut drauf' geht, aber 'mein gut draufer Bruder' nicht. Und wenn man schon ein Problem daraus konstruieren will, ob es forgewardet oder geforwardet heißt, sollte man sich mal fundamentaldeutsche Verben wie 'bausparen' anschauen. Na, wie heißt das Partizip?
Like me on Facebook! Auch hier hat die dt. Sprache ein Problem: Zwar würde 'Gesichtsbuch' unter all den Krampfübersetzungen im VDS-Anglizismen-Index nicht weiter auffallen - aber es gibt keinen Imperativ von 'mögen'!
Bei der verzweifelten Suche nach irgendwas 'Undeutschem' fällt einem wackeren DeGe natürlich noch die Abweichung zwischen Schreibweise und Aussprache ein. Dazu habe ich schon hier (Geschrieben wie gesprochen ...) einiges klargestellt. Jedenfalls gibt es in Lehnwörtern nicht-englischer Herkunft dasselbe Phänomen: Friseuse, Chauffeur, Giro, Lasagne, Nation ... Kein DeGe regt sich darüber auf.
Aber im DeGe-Universum lässt sich jede Albernheit noch toppen: Angeprangerte (angebliche) Lehnübersetzungen sind entweder originär deutsch oder sie bestehen aus grammatisch wie semantisch völlig korrekten Konstrukten 'rein deutscher' Wörter - quod erat demonstrandum / was zu beweisen war (Lehnübersetzung!), und zwar in diesem Blogpost.