Nachteil: Deutsch!
Das muss man verstehen, dass er Schwierigkeiten hat sich einzugewöhnen.
Er ist die deutsche Sprache noch nicht mächtig. (Jürgen Wegmann, dt. Fußballprofi)
Die öffentlichen Sprachmodisten in den Medien, in der Politik, in der Wissenschaft und der Wirtschaft beschneiden aber die private sprachliche der Menschen. (VDS)
Über kariesgefährdete Kids, Panther und das Märchen, dass Deutsch anderen Sprachen "überlegen" ist.
In gewisser Weise ist dies die Kehrseite der Medaille 'Advantage: Denglisch!'.
Wenn (D)englisch kürzer ist, ist DeGe-Deutsch natürlich länger und damit im Nachteil. Und während viele Anglizismen international verstanden werden, ist dies bei spezifisch deutschen Wörtern eben nicht der Fall.
Aber es gibt einen weiteren gravierenden Nachteil der deutschen Sprache: Sie ist enorm kompliziert und unsystematisch. Das habe ich schon hier und da erklärt, möchte es aber im folgenden einmal zusammenfassen und erweitern.
Nochmals: Ich habe überhaupt nichts gegen die deutsche Sprache - schon weil es hochgradig albern ist, überhaupt irgendetwas gegen irgendeine Sprache zu haben. Ich habe nur etwas gegen Sprachchauvismus, der nicht nur das Deutsche zu einer mystischen Über-Sprache ("Orgel unter den Sprachen") verklärt, sondern auch Englisch in den Schmutz zieht, siehe dieses ab- und erschreckende Beispiel.
Grundsätzlich hat jedes Volk genau die Sprache, die es braucht - solange diese natürlicherweise vom Volk gemacht wird. Dass unsere Sprache von Werbetextern gemacht wird, ist bereits hier als Vorwand selbsternannter Sprachpolizisten widerlegt, die gern ihrerseits das Deutsche 'machen' würden.
Allerdings ist keine historisch gewachsene Sprache perfekt im Sinne einer konsequenten Systematik
- Deutsch schon gar nicht, wie wir im folgenden sehen.
- Willkürliche Satzstellung:
Sven gibt Kevin ein Bonbon, aber Marcel nicht.
Na, wer bekommt hier die Süßigkeit? Sven oder Kevin? Und welche Rolle spielt Marcel? Wer ist hier Subjekt und wer Objekt? Was sich gesprochen noch anhand der Betonung eruieren lässt, verliert geschrieben jede Eindeutigkeit. Nun könnte man Artikel zu Hilfe - und ein Aufheulen sämtlicher Stilberater für gutes Deutsch in Kauf nehmen:
Der Sven gibt dem Kevin ein Bonbon, aber der Marcel nicht.
Beim englischen
Sven gives Kevin a candy while Marcel doesn't.
oder auch
Kevin gives a candy to Sven but not to Marcel.
sowie weiteren Variationen ist die Aussage hingegen immer eindeutig.
Ich gehe heute ins Kino. Heute gehe ich ins Kino. Völlig banane! Dabei gibt es sogar eine Regel: Das Verb steht im Satz immer an zweiter Stelle. Nun ja, es gibt Regeln, und es gibt sinnvolle Regeln. Hier kreist das Sonnensystem in Gestalt des ganzen Satzes um die Erde in Gestalt eines einzelnen Wortes, des Verbs. Es besteht kein vernünftiger Anlass, die Reihenfolge von Subjekt und Prädikat umzukehren, bloß weil das Adverb am Anfang des Satzes steht. Und eigentlich auch keiner, das Adverb mitten in den Satz zu pflanzen.
Today I'm going to the cinema.
ist einfach, konsequent und einfach konsequenter.
Ebenso sinnlos im Deutschen ist die unterschiedliche Satzstellung nach 'weil' (SOP) und 'denn' (SPO),
siehe hier.
Ergänzt wird das Positions-Wirrwarr durch erst (im Infinitiv) zusammengesetzte und dann wieder brutal auseinandergerissene Verben:
Er schaltete sein HDTV-Gerät, das er gestern nach reiflicher Überlegung im 'Ich bin doch blöd'-Markt auf der grünen Wiese erworben und mühsam zu Fuß nach Hause geschleppt hatte, voller Vorfreude erstmals ein.
Um Himmels Willen! Warum nicht ähnlich wie im Englischen: Er einschaltete ...?
Dieses Chaos stört nicht nur ausländische Deutschschüler und Laien wie mich. Es lässt sogar die Sprachwissenschaftler von canoo.net leicht resignieren:
Die Wortstellung ist im Deutschen relativ frei und gleichzeitig sehr komplex, da sie von verschiedenen einander beeinflussenden und zum Teil widersprechenden Kriterien abhängig ist. Die meisten der hier beschriebenen Prinzipien der Wortstellung sind nicht feste Regeln, sondern vielmehr Tendenzen. Die vorliegende Beschreibung kann deshalb nicht vollständig sein. Sie soll nur die wichtigsten Grundregeln und Tendenzen aufzeigen.
Zwischenfazit:
Die Satzstellung im Deutschen ist anarchisch. Die Nachteile liegen auf der Hand, Vorteile sind nicht ersichtlich.
- Geschlechtertrennung:
Der Löffel, die Gabel, das Messer - what is this good for? (Ein verzweifelnder US-Amerikaner)
Nothing, my friend, definitely nothing.
Diese Geschlechtertrennung ist - außer bei Lebewesen - purer Nonsense und erschwert richtiges Sprechen / Schreiben ungemein. OK, das ist nichts spezifisch Deutsches. Jedoch beschränken sich die romanischen Sprachen immerhin auf männlich / weiblich; da hilft dann schon der Fifty-Fifty-Joker.
Dass man weitestgehend ohne diese Firlefanz präzise kommunizieren kann, beweist das Englische:
Alles ohne Sex oder Eigennamen ist grundsätzlich ein Neutrum. Punkt.
Zwischenfazit:
Die Einteilung von Sachen und Abstrakta in verschiedene grammatische Geschlechter ist völlig sinnlos.
- Artikel und Endungen:
Aber nichts ist so kompliziert, dass Deutsche es nicht noch komplizierter machen könnten.
Ein Hase - eines Hasen. Der Hund - des Hundes. Die Katze - der Katze. Das Kaninchen - des Kaninchens.
Perfekt wird das Wirrwarr dadurch, dass Genus und Deklination (Geschlecht und Beugung) sich doppelt manifestieren: durch einen Wust von Artikelformen und durch die Substantiv-Endungen. Die glasklare 'Systematik': die Substantiv-Endung unterscheidet sich von der des Artikels oder sie unterscheidet sich nicht.
Oder beim Substantiv lauten alle Fälle gleich. Bis auf die vermutliche Regel, dass feminine Substantive keine fallspezifischen Endungen haben (findet jemand Gegenbeispiele?) hilft jedenfalls nur stupides Auswendiglernen.
Zwischenfazit:
Die redundante Kennzeichnung von Genus und Kasus (Fall) durch Artikel + Endung ist reine Schikane.
- Bandwurmwörter:
Zur absurden Behauptung, dass zusammengesetzte Wörter (Komposita) wie Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitänsmütze ein Vorteil der dt. Sprache seien, habe ich bereit hier einiges geschrieben. Natürlich gibt es auch im Englischen eine unendliche (weil beliebig kombinierbare) Zahl von Komposita:
steamship, doorstep, stairway, aircraft, honeymoon, bullshit, egghead, airbag, eyeball, graveyard ...
Bloß behalten die meisten zwecks besserer Lesbarkeit die Leerzeichen zwischen den Bestandteilen:
Danube steam navigation company captain's cap ist doch leichter zu erfassen als das entspr. deutsche Wortmonster - dank der sog. "Deppenleerzeichen". Wer hier wirklich deppert ist, lassen wir mal offen.
Als Kompromiss sollte man im Deutschen zumindest mehr Bindestriche verwenden.
Must-read: Fundierte, aufschlussreiche Posts zu diesem Thema auf extraflach.de, im Bremer Sprachblog
Zwischenfazit:
Deutsche Bandwurmwortkonstrukte ohne jede visuelle Strukturierung sind schwierig und unnütz.
- Unregelmäßigste Verben:
Heißt das Partizip von winken nun gewinkt oder gewunken? Und - um die Unlogik auf die Spitze zu treiben - warum nicht? Zwar gibt es auch im Englischen ein paar unregelmäßige Verben: to drink, drank, drunk folgt demselben Schema wie trinken, trank, getrunken.
I.d.R. jedoch werden engl. Verben 'schwach' konjugiert, d.h. der Wortstamm ändert sich nicht, und es wird ed angehängt. Im Deutschen jedoch herrscht auch diesbezgl. ein heilloses Chaos; eigentlich sind alle 'stark' konjugierten Verben unregelmäßig. Man muss sich also zu jedem Verb eine oder gar zwei Zusatzinformationen merken:
1. Stark oder schwach? Geben, fahren, denken, verderben (stark) <=> leben, wahren, lenken, erben (schwach).
2. Wenn stark: Wie heißen die Formen? Geben, gab, gegeben <=> denken, dachte, gedacht.
Der Deutsche, der irgendwann erstmals 'dachte' anstatt einfach 'denkte' sagte, muss einen ziemlichen Dachschaden gehabt haben.
Dabei sind die Zeiten nur eine Seite der Medaille.. Analog zu Artikeln und Endungen bei Substantiven wird auch bei Verben die grammatische Zuordnung mit teutscher Gründlichkeit durch Personalpronomen und Verbform doppelt zementiert:
ich empfehle, du empfiehlst, er/sie/es empfiehlt, wir empfehlen, ihr empfehlt, sie empfehlen.
Fürs Englische muss man sich nur das angehängte s in der 3. Person Singular merken:
I / you recommend, he/she/it recommends, we / you / they recommend.
Romanische Sprachen haben zwar ebenfalls verschiedene Verbformen, sparen sich aber i.d.R. die dadurch überflüssigen Pronomen.
Zwischenfazit:
Die deutsche Konjugation ist ebenso unsystematisch wie die Deklination, aber noch wesentlich vielfältiger.
Exkurs: Die wahre deutsche Krankheit
Hier kommt der eingangs erwähnte Panther ins Spiel. Gemeint ist der dt. Kampfpanzer des 2. Weltkriegs, ein
Hi-Tech-Gerät sondergleichen und im Kampf eins gegen eins fast jedem alliierten Panzer weit überlegen. Bloß kam es dazu fast nie, sondern die vergleichsweise primitiven sowj. T-34 oder amerik. Shermans traten meist in
5 - 15-facher Überzahl auf. Der Panther war zu kompliziert, zu teuer, zu ressourcenfressend und viel störungsanfälliger als die Konkurrenten. Faustregel: Je mehr Teile etwas hat, desto mehr kann kaputtgehen.
Nach diesem Schema agierte die gesamte Rüstungsindustrie der Nazis. Auch deshalb wurde der 2. Weltkrieg verloren, und auch deshalb zetern heute Sprachchauvinisten über die Dominanz des Englischen in Europa.
Ob in technologischer, bürokratischer oder sprachlicher Hinsicht:
Deutsche sind dem Wahn verfallen, etwas sei umso besser je komplizierter es ist.
Man kommt sich intellektuell überlegen vor, wenn man Kompliziertes konstruiert oder versteht, auch wenn gar keinen Sinn macht. Eigentlich ist es nur geistige Masturbation.
Ich merke das ständig in meinem Beruf, wo mindestens 90% aller Software umständlicher und umfangreicher ist als es zur Zielerreichung nötig wäre.
Die folgenden Phänomene sind zwar nicht typisch, aber eben auch deutsch:
- Mehrdeutigkeit:
Wir sind eingeladen. Schön. Aber weiß ich, ob ich ebenfalls eingeladen bin, wenn mir jemand sowas mitteilt? Allgemeiner: Ist der Empfänger der Botschaft in den mit 'wir' bezeichneten Personenkreis eingeschlossen? Eine ausführliche Betrachtung dieses Themas finden Sie im Bremer Sprachblog.
Ebenfalls in den meisten Sprachen nicht unterschieden: der unbestimmte Artikel und das Zahlwort ein, s. hier. Pluspunkt jedoch fürs Englische, das mittels a und one differenziert.
Zwischenfazit:
Deutsch ist keineswegs präziser als andere Sprachen.
- Ausdrucksstärke:
Angeblich gibt es Gefühle, die nur Angehörige einer bestimmten Nation entwickeln können, weshalb es auch nur in der jeweiligen Sprache ein Wort dafür gibt, was wiederum diese Sprache über andere erhebt.
DeGe finden es z.B. toll, dass der Weltschmerz, eine Kreation des spinnerten "Sprachorglers" (s.o.) Jean Paul, ins Englische übernommen wurde. Ich finde es toll, dass Anglophone diesen unnützen Gemütszustand offenbar bei sich selbst nicht kennen - sonst hätten sie ja einen Ausdruck dafür. Feeling blue oder have the blues sind zwar irgendwie mit dem Weltschmerz verwandt, aber doch nicht ganz so depri - und haben wiederum keine 100%ige Entsprechung in der dt. Sprache.
Und was ist mit der portugiesischen saudade, ebenfalls eine angeblich volksspezifische seelische Befindlichkeit mit Exklusivbezeichnung? Natürlich ist Portugiesisch deswegen nicht ausdrucksstärker als andere Sprachen.
Zwischenfazit:
Dass sich Gefühle auf Deutsch am besten ausdrücken lassen, ist völliger Quatsch.
In einem Punkt allerdings ist Deutsch wirklich einfacher und pflegeleichter als andere Sprachen, nämlich beim ...
Alles in allem ist die deutsche Grammatik unnötig kompliziert! Das war die gute Nachricht. Die schlechte: Durch übertriebene Satzbauakrobatik kann man diese Kompliziertheit bis ins Unendliche steigern, wie z.B. Herbert Wehner, der unvergessene Zauberlehrling der Schachtelsätze, in diesem YouTube-Video liebevoll parodiert von Thomas Freitag, unter Inkaufnahme von rhetorischen Bluescreens - weil er sich hoffnungslos verhaspelt hatte - und Restarts mit neuen Sätzen in seinen urigen Reden ...
'Kulturbeflissene' Deutsche finden Schachtelsätze geil und halten sie für ein Zeichen intellektueller Kapazität - s. Exkurs. Man könnte sie auch für Indizien gedanklicher Disziplinlosigkeit halten. Dass es anders geht, zeigt
dieser brilliante Beitrag eines US-Amerikaners (in perfektem Deutsch).
Wohin die Kompliziertheit der deutschen Sprache führt, zeigt dieser erschreckende Bericht u.a. über eine italienische Sprachwissenschaftlerin (!), die außer ihrer Muttersprache weitere vier Sprachen spricht, in der Schweiz und Österreich (ge)lebt (hat) und doch sagt:
„Selbst mir fällt es nicht leicht, Deutsch zu lernen.“ Für jene Menschen, die vorher noch nie eine Fremdsprache erlernt haben, müsse das noch viel schwieriger sein.
Wenn dann noch Arroganz oder Ausgrenzung durch Muttersprachler hinzukommen, wird es ganz schlimm. Wehe, ein(e) Lernende(r) macht Fehler! Die deutsche Sprache nicht zu beherrschen, hat gefälligst das Privileg von Muttersprachlern zu bleiben, siehe Zitate ganz oben!
„Wenn Migranten, die Deutsch lernen, nicht akzeptiert werden, nur weil sie kein fehlerfreies, akzentfreies Deutsch beherrschen, vergeht ihnen und allen anderen die Lust, diese Sprache zu lernen oder zu sprechen“, meint etwa Therapeutin Ayse Aksoy.
Fazit:
- Historisch gewachsene Sprachen sind nicht streng logisch und systematisch. Muttersprachler stört das natürlich nicht - wohl aber diejenigen, die sie als Fremdsprache erlernen müssen oder wollen.
- Dabei ist Deutsch noch unsystematischer als andere europäische Sprachen, insbesondere Englisch. Es ist in vielen Punkten unnötig kompliziert, ohne dass dies die Genauigkeit oder Ausdrucksstärke fördert. Um das als hochkulturelle Errungenschaft zu feiern, muss man schon die nationalistische Brille aufsetzen.
- Man mag sich als Deutschtümler an dieser Kompliziertheit erfreuen oder sie gar fördern.
Im selben Atemzug zu beklagen, dass Deutsch von immer weniger Ausländern gelernt wird, ist allerdings schizophren. Der Mensch geht nun mal den Weg des geringsten (sprachlichen) Widerstands.
- Hinzu kommt, dass man sich mit Englisch weltweit, mit Deutsch dagegen nur in Mitteleuropa verständigen kann.
- Die deutsche Sprache ist anderen keineswegs "überlegen", sondern im Verhältnis Lernaufwand - Nutzen höchstens Mittelmaß. Für Ausländer besteht kein vernünftiger Anlass, Deutsch als erste Fremdsprache zu lernen, sofern sie nicht in D/A/CH leben wollen.
|
Zum Schluss:
Wenn ich bisher sprachlos wäre, würde ich Sprachen in dieser Reihenfolge lernen
1. Englisch (Weltsprache)
2. Spanisch (Weltsprache)
3. Russisch (fast Weltsprache)
4. Deutsch (in Mitteleuropa ganz brauchbar)
4. Italienisch (la lingua più bella del mondo :)
5. Niederländisch (nicht sooo nützlich, aber für Deutsche ziemlich lustig :)
Chinesisch oder Arabisch sind natürlich ebenfalls äußerst nützlich, aber allein die Schriftzeichen ... puuuh ...